Man glaubt es kaum …

Aktuell kann man wirklich ungewöhnliche Entwicklungen beobachten. Natürlich spreche ich von Inflation. Zwar kann man aus meiner Sicht die aktuelle Inflation gut erklären – wobei ich natürlich auch nicht damit gerechnet habe. Aber es verwundert schon, dass sich die Politiker in den Ländern mehr Gedanken über den Kaufkraftverlust der Menschen machen als die Zentralbanken. Die Gralshüter der Inflation geben sich der Diskussion hin, ob die Inflation nur ein zeitweiliges Phänomen ist oder uns doch langfristiger begleiten wird. Die Politik muss sich mit den realen Folgen der steigenden Inflation beschäftigen: Den Kaufkraftverlust in breiten Bevölkerungsschichten, der mit neuen staatlichen Unterstützungsmaßnahmen gelindert werden soll. Das Spannende dabei ist, dass sich eigentlich niemand beschwert.

Dies mag daran liegen, dass die beiden Institutionen – Zentralbanken und Regierungen – in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit abhängig sind. Die Zentralbanken haben mit der ausgeprägten Niedrigzinspolitik zwar eine weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise verhindert, aber auch zu einem rasanten Anstieg der Staatsverschuldung eingeladen. Strukturelle Erneuerung wurde zudem verhindert, da die Länder keine Notwendigkeit sahen, sich diesem anspruchsvollen Ansinnen zu stellen. Mittlerweile ist die staatliche Verschuldung so groß, dass sich Zentralbanken gut überlegen, ob und in welcher Geschwindigkeit die Zinsen ggf angehoben werden können (das Schlagwort hierzu: fiskalische Dominanz). Die Regierungen auf der anderen Seite fürchten natürlich einen Zinsanstieg, profitieren aber auch von der höheren Inflation. Denn mit der höheren Inflation steigt auch das nominale Wachstum der Länder und damit sinken die Defizit- und Verschuldungsquoten, da im Nenner das nominale Wachstum steht (Schlagwort: fiskalische Repression).

Vor diesem Hintergrund rechne ich weiterhin mit einer verhaltenen Reaktion der Zentralbanken, die dem aktuellen Inflationsgeschehen nicht angemessen erscheint. Jedoch reagieren die Regierungen, durch – hoffentlich – zielgerichtete Hilfen und Unterstützungsleistungen. Die niedrigen Zinsen stützen zudem das Wirtschaftswachstum in den Ländern, was in 2022 auch notwendig sein wird. Wenn die Inflation dann in 2022 wieder fällt – auch wenn nicht ganz auf den Zielwert von 2% – dann haben alle erst mal alles richtig gemacht. Dieses Verhalten kann man solange ausdehnen, bis die Glaubwürdigkeit der Zentralbanken zu stark leidet. Was passiert, wenn die Zentralbank ihre Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit verliert, kann man in der Türkei gut beobachten.

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